Gemeinsame Erklärung der bundesweiten Tagung des Netzwerks »Gleiche Soziale Rechte für ALLE!«
Hannover, den 15. Februar 2024

NEIN zur Bezahlkarte! Für eine bundesweite solidarische Vernetzung
Wir, die teilnehmenden Organisationen und Einzelpersonen der bundesweiten Tagung »Gleiche soziale Rechte für ALLE!« in Hannover, stellen fest:
Das Asylbewerberleistungsgesetz dient als Testfeld für den Abbau sozialer Rechte und die Errichtung eines autoritären Sozialstaats. Es grenzt geflüchtete Menschen strukturell aus. Ihnen wird eine gleiche Teilhabe an der Gesellschaft verweigert. Es geht um Leistungen unterhalb des Existenzminimums, Wohnen unter unwürdigen Bedingungen, um eine eingeschränkte medizinische Versorgung, um Arbeit in Zwangsverhältnissen. Das Gesetz existiert seit mehr als 30 Jahren und bestimmt das soziale Leben von Geflüchteten. Es holt das Grenzregime in unsere Nachbarschaften und Communities und zieht eine rassistische Trennlinie zwischen Menschen.
Die autoritären Regeln wurden immer wieder verschärft, im letzten Jahr mehrmals. Die reduzierten Grundleistungen gelten jetzt für 36, statt bislang 18 Monate. Sie liegen bis zu 22 % unter dem Existenzminimum. Auch die medizinische Versorgung bleibt damit nun drei Jahre lang auf akute Erkrankungen und Schmerzen beschränkt. Die Arbeitspflicht für 80 Cent pro Stunde wurde ausgeweitet. Mit populistischen Argumenten wurde eine diskriminierende Bezahlkarte eingeführt, die den Alltag der Betroffenen weiter erschwert. Für Geflüchtete, für deren Asylverfahren ein anderer europäischer Staat zuständig ist, können die Leistungen komplett gestrichen werden.
Im Asylbewerberleistungsgesetz zeigt sich ein autoritärer Sozialstaat, dessen Verfestigung wir unbedingt verhindern sollten. Stattdessen treten wir ein für eine Gesellschaft der Vielen, in der soziale Rechte und Teilhabe für alle gelten. Das kann uns nur in einer bundesweiten solidarischen Vernetzung gelingen. Deshalb rufen wir auf: Werdet Teil dieser Vernetzung!
Die Einführung der diskriminierenden Bezahlkarte wirkt sich nachteilig auf das Zusammenleben und die Stimmung in den Städten und Gemeinden aus. Mit ihr wird sich die strukturelle Ausgrenzung von Geflüchteten weiter verfestigen und die Gesellschaft in den Städten und Gemeinden weiter nach rechts kippen. Am 21. März 2025, dem internationalem Tag gegen Rassismus, haben wir uns deshalb zu einem ersten bundesweiten dezentralen Aktionstag verabredet. Gemeinsam sagen wir NEIN zur Bezahlkarte und fordern den sofortigen STOPP ihrer Einführung.
Wir sehen auch die Angriffe auf das soziale Leben und die Rechte von Bürgergeldbezieher*innen, Wohnungslosen und anderen von Armut und Ausgrenzung betroffenen Menschen. Wir sehen die Ausbeutung derer, die im Niedriglohnsektor arbeiten müssen. Wir verurteilen politische Kampagnen gegen Menschen, die Transferleistungen beziehen, in denen eine Absenkung oder gar Streichung von Leistungen gefordert und die Einführung einer sogenannten ‚Bürgergeld-Bezahlkarte‘ diskutiert wird. Das Recht auf ein würdiges Leben muss an erster Stelle stehen. Dafür braucht es soziale Rechte.
Wir sind mit systemischen Krisen konfrontiert, die sich weiter verschärfen werden – auch im Hinblick auf die Klimakatastrophe. Für viele Menschen stellt sich bereits die Frage des Überlebens. Politische Akteure von rechts setzen weiter auf Spaltung und den Abbau von Grundrechten. Dagegen stellen wir ein emanzipatorisches Verständnis von Solidarität, in dem niemand ausgeschlossen oder ausgegrenzt wird.
Als Netzwerk »Gleiche Soziale Rechte für ALLE!« positionieren wir uns mit vereinter politischer Kraft gegen sozial-politische Verwerfungen und Rassismus. Schluss mit der Ausgrenzung marginalisierter Gruppen! Lasst uns gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft streiten!
Offener Brief für die Weiterführung von »Fit for move«
Würzburg, den 10. Oktober 2024
Sehr geehrter Herr Landrat Eberth,
sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,
sehr geehrte Mitglieder des Kreistages,
eine Wohnung zu haben vermittelt nicht nur Schutz und Geborgenheit, sondern ist auch Grundlage für eine Teilhabe an der Gesellschaft. Bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 findet sich das Recht auf Wohnen als Teil eines angemessenen Lebensstandards. Allerdings haben einige Menschen in unserer Gesellschaft aus verschiedenen Gründen ohne Unterstützung kaum Chancen, eine Wohnung zu finden.
Daher ist das von der Caritas durchgeführte Projekt »Fit for move« so wichtig, im Zuge dessen Sozialpädagoginnen am Wohnungsmarkt benachteiligte Personengruppen bei der Wohnungssuche begleiten und unterstützen, sowie bei allen Fragen und Aufgaben, die sich dahingehend stellen.
Die Wohnungsvermittlung der Caritas ist ein interkommunales Projekt. Eine Vollzeit-Stelle wird von der Stadt Würzburg bezahlt und eine Vollzeitstelle vom Landkreis Würzburg. Das Projekt gibt es seit 2017 und es wurde stets um zwei Jahre verlängert. Aktuell läuft es bis Mitte 2025, weshalb momentan die Verlängerung des Projektes diskutiert wird.
Am 14. Oktober 2024 wird der Sozialausschuss des Kreistages neu über eine Verlängerung der Finanzierung des Projektes »Fit for move« durch den Landkreis diskutieren. Leider fand sich in der Sitzung des Sozialausschusses am 5. Juli 2024 dafür keine Mehrheit.
Wir halten das Projekt »Fit for move« als einziges Projekt in Würzburg, das benachteiligte Menschen im Raum Würzburg bei der Wohnungssuche unterstützt, aus folgenden Gründen für unverzichtbar.
1. Professionalität und Erfolg
Bei der Wohnraumvermittlung »Fit for move« geht es um mehr als um die Unterstützung bei der reinen Wohnungssuche. Die Sozialpädagoginnen unterstützen auch bei der Organisation im Zusammenhang mit dem Zustandekommen eines Mietverhältnisses (z.B. Anträge bei Behörden stellen, Umzug organisieren, Möbelbeschaffung, …) und sorgen als langfristige, verlässliche Ansprechpartner*innen auch für Vermieter*innen dafür, Mietverhältnisse abzusichern und einen erneuten Wohnungsverlust zu vermeiden (z.B. bei Mietschulden oder Konflikten).
Durch ihre Erfahrung und Aneignung von Fachwissen, beispielsweise durch ihre Kenntnisse im Mietrecht, Asylrecht und Sozialrecht, können sie Wohnungssuchende sowie Vermieter*innen fundiert beraten – was auch die unterschiedlichen kommunalen Ebenen entlastet. Die hauptamtliche Tätigkeit ermöglicht zudem, den Wohnungsmarkt systematisch auszuwerten, Mietkosten zu prüfen, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, Umzüge administrativ vorzubereiten, Umzüge zu begleiten und vor allem neue Mietverhältnisse nachzubetreuen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, die Hauptamtlichkeit weiter zu fördern.
Darüber hinaus können sich an »Fit for move« auch nicht nur Wohnungssuchende, sondern alle Personen wenden, die eine Wohnung oder ein Haus zur Vermietung anbieten möchten.
Der Erfolg des Projekts spiegelt sich auch in Zahlen wider: knapp die Hälfte aller Ratsuchenden hat durch die Hilfe der Wohnraumvermittlung eine Wohnung gefunden. Das ist allein im Landkreis ein Haushalt pro Woche, der mit geringem Personaleinsatz ein neues Zuhause gefunden hat.
2. Perspektiven für benachteiligte Menschen schaffen
An »Fit for move« können sich alle Personengruppen wenden, die auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt sind. Das sind Menschen ohne festen Wohnsitz, Geflüchtete, Menschen mit wenig Sprachkenntnissen, psychischen Erkrankungen oder Behinderungen, Schulden, wenig Einkommen (Sozialhilfe, geringe Rente), von Gewalt betroffene Menschen oder Menschen, die eine Räumungsklage oder Kündigung erhalten haben.
Die Wohnverhältnisse, aus denen die Menschen kommen, die Unterstützung suchen, sind dementsprechend oft prekär. Dass es nicht nur unangenehm und anstrengend, sondern auch schädlich für das psychische und physische Wohlergehen ist, sich von Sofa zu Sofa oder gar auf der Straße durchschlagen zu müssen, jahrelang trotz Auszugsberechtigung in vollen Gemeinschaftsunterkünften auf engem Raum oder zugigen Containern leben zu müssen oder in kalten und schimmligen Wohnungen auszuharren, liegt auf der Hand. Das Projekt der Caritas ist in diesem Sinne eine echte Bereicherung für die Gesellschaft.
»Fit for move« ist das einzige Projekt im Würzburger Raum, das benachteiligte Menschen systematisch bei der Wohnungssuche unterstützt. Darüber hinaus haben benachteiligte Menschen keine Lobby. Aufgrund des riesigen Bedarfs hat die Caritas ursprünglich eine Erhöhung der Stellen beantragt. Eine Einstellung des Projekts würde die Chancen von benachteiligten Menschen in Würzburg noch einmal dramatisch verschlechtern, eine Wohnung zu finden. Dabei ist eine eigene Wohnung oftmals der erste Schritt, sich (wieder) ein gutes Leben aufzubauen und an der Gesellschaft teilzunehmen.
3. Entlastung von Kommunen
Uns ist die aktuell sehr schwierige Haushaltslage bekannt und wir wissen auch, dass die Wohnraumvermittlung im Gegensatz zu vielen anderen Aufgaben eine »freiwillige Aufgabe« des Landkreises ist. Dennoch sind wir der Überzeugung, dass es auch finanziell sinnvoll ist, dieses Projekt weiter zu fördern.
Denn »Fit for move« unterstützt Menschen dabei, aus teuren Verfügungswohnungen auszuziehen und aus Gemeinschaftsunterkünften herauszukommen, wodurch die Kommunen entlastet werden. Je mehr Menschen es schaffen, aus diesen Unterkünften in eine eigene Wohnung zu ziehen, desto geringer wird der Druck auf die Kommunen, die Unterkünfte nicht nur zu bezahlen, sondern auch – besonders vor dem Hintergrund der enormen Auslastung der aktuellen Unterkünfte – neue Unterkünfte aufzutreiben. Dabei sind auch die Kosten für das Projekt, die Finanzierung einer Vollzeit-Stelle, überschaubar. Dadurch, dass das Projekt bereits seit 2017 erfolgreich läuft, kann die bisher aufgebaute Kompetenz effizient weitergenutzt werden.
Wenn Menschen bei der Wohnungssuche scheitern, gibt es immer die Gefahr, dass sie wohnungs- oder gar obdachlos werden oder bleiben. Dies ist nicht nur für die Menschen selbst fatal, sondern bringt auch enorme gesellschaftliche Kosten mit sich, für die in erster Linie die Kommunen aufkommen müssen. Außerdem kommen negative Folgen langfristig auf Menschen zu, die lange unter widrigen und/ oder unsicheren Bedingungen leben müssen. Daher ist es langfristig zielführend, bewährte Präventionsangebote fortzuführen, als kurzfristig vermeintlich einzusparen.
Wir sind überzeugt, dass die Wohnungsvermittlung »Fit for move« ein kostengünstiger und bewährter Teil der Lösung für ein drängendes Problem in der Gesellschaft auch für die Zukunft ist und die relativ kleinen Einsparungen nicht im Verhältnis zu dem Verlust stehen, den die Gesellschaft durch die Einstellung des Projektes an Kompetenz, Chancen für die Menschen und Entlastung für die Kommunen erleidet.
Wir bitten Sie, sich im Vorfeld der Sitzung im Sozialausschuss am 14. Oktober 2024
bzw. bei weiteren anstehenden Sitzungen der Entscheidungsgremien intensiv mit der Wohnungsvermittlung auseinanderzusetzen und Ihre Haltung zur Fortführung noch einmal zu überdenken.
Mit freundlichen Grüßen
Würzburg Solidarisch e.V.
Würzburger Bündnis für Demokratie und Zivilcourage e.V.
HERMINE e.V.
Seebrücke Würzburg